
Grosseltern haben und Grosseltern sein.
Ich hatte Grosseltern und war reich beschenkt mit ihnen! Opa Havel und Oma Martha-Boschena
Meine tschechischen Grosseltern waren ein Segen für mich, besonders weil meine Schweizer Grosseltern sehr früh verstarben.
Sie hatten in Zürich am Zweierplatz die "Mass-Schneiderei Kovarik" und ausser der Laufkundschaft, arbeiteten sie für das Theater und für das Schauspielhaus Zürich.
Ich liebte es, an meinen freien Nachmittagen zu meinen Grosseltern zu gehen. Dies, auf den Rollschuhen oder mit dem Trottinett. Das dauerte bis dreiviertel Stunden Fahrt, abwärts. Selten, nur bei schlechtem Wetter, gab es ein Tam-Billet nach Hause. Bei den Grosseltern angekommen, gab es immer das erste Ritual in der grossen, so gut duftenden Küche. Kuchen und Kakao oder die so geliebten Zwetschgen-Zimt-Knödel, oder den Nuss-Zopf, oder den Marmor-Kuchen, oder die Schokoladencrème, oder…….oder.... Ich liebte es am Küchentisch zu sitzen und in die vielen Kräuter auf dem Balkon zu schauen. Und es waren sehr viele, wie ein Dschungel
Meine Grossmama war eine wunderbare Köchin und eine herzensgute Frau. Beim „Zvieri” fragte sie dann immer ausführlich nach dem Erlebten der Woche und nach den Schulaufgaben. Meine „Grosi „war für mich auch ein Sprachphänomen. Damals, nach der Flucht, in der Schweiz angekommen, meldete sie sich bei meinem Grossvater für die folgenden Abende ab. Sie wollte so schnell wie möglich Schweizerdeutsch lernen und dazugehören. Für sie war die Kneippe, unten im Haus, genau das Richtige. Da sassen die Nachbarn und die Geschäftsleute und spielten Karten, was meine Grossmutter sehr liebte und beherrschte. Das war also die Zielgruppe meiner Grossmutter, um Schweizerdeutsch zu lernen und das hatte eine sehr positive Auswirkung auf die Familie Kovarik und das Geschäft. Sie war eine sehr attraktive Frau, immer gut gekleidet, sehr gepflegt und Sie sprach sehr schnell sehr gut Schweizerdeutsch und so brachte sie natürlich auch gute Kundschaft in die Schneiderei. Sie konnte sehr schnell die Schneiderei verwalten und damit das Leben der Kovarik's in der Schweiz. Mein Grossvater Havel, ein grosser stolzer, gerader Mann, blieb beim Hochdeutsch, welches er in Wien, als Schneider-Geselle, gelernt hatte. Schweizerdeutsch war für ihn ein sprachliches Gestolper. Er war begeistert von den Initiativen seiner Martha-Boschena und das zeigte er ihr auch gerne und regelmässig. Immer nach dem Mittagessen, legte sich meine Grossmutter auf die rote Samt-Ligeuse im Wohnzimmer. Mein Grossvater schob das kleine Tischchen zur Liege und brachte meiner Grossmutter den geliebten Kräuter-Tee. Er setzte sich zu ihr und sie besprachen zusammen die Arbeit und alles was anstand. Immer wenn ich das sah - diese wunderschöne Frau auf der Ligeuse, die zierliche Hand in der grossen Hand meines Grossvaters, da dachte ich mir; Das muss Liebe sein, das will ich auch einmal.
Der Arbeitsplatz meiner Grosseltern war vorne im schönen Erker des grossen Schneider-Zimmers. Jeder hatte seine Nähmaschine und so konnten sie immer Hand in Hand arbeiten und ihre Heimat-Sprache pflegen. Hier, im Erker, wurde nur Tschechisch gesprochen! Im Schneider-Zimmer stand auch der immens-grosse Zuschneide-Tisch an dem mein Großvater die Kleider zuschnitt und sie dann im Schneidersitz auf dem Tisch zusammenfügte und den Fadenschlag machte. So konnte dann meine Großmama alles zusammen nähen. Im kleinen Zimmer nebenan waren die Anproben und in den hohen Regalen lagen die sauber aufgerollten Stoffballen zur Auswahl. Hier wurden auch die exakten Aenderungen von meinem Grossvater beschlossen. Meine Grossmutter sass am wunderschöne Sekretär, (ich darf in heute bei mir beherbergen). Hier wurden also die Rechnungen geschrieben und meine kluge Grossmutter servierte den Kunden immer ein Gläschen tschechischen Schnaps zur Rechnung.
Mein Grossvater war sehr seriös, sehr genau, sehr sicher in dem was er tat. Er brauchte diese lebendige, tatkräftige, liebevolle und lustige Frau, um seine Fluchten, das verlassen von Prag und den Verlust des Pferdehof seiner Eltern, zu verkraften.
Meine Grossmutter hatte eine ganz andere Vergangenheit in Böhmen. Sie lebte mit ihren Eltern und den Geschwistern in drei Eisenbahnwagen. Ein Wagen war die Schneiderei, ein Zweiter der Wohnwagen und der Dritte war zum Schlafen, mit den Kojen für die Kinder. Es musste sehr schön und gepflegt gewesen sein, erzählte meine Grossmutter. Sie liebte ihre Kindheit und erzählte gerne davon. Die Familie Mucha arbeiteten für die Königshäuser und andere Wichtigkeiten. Ihre Wagen wurden dann einfach an die Zügen angehängt, wohin sie eben bestellt wurden. So lernte meine Grossmutter sehr früh Sprachen und konnte in den verschiedenen Ländern in die Schule gehen. Die Muchas waren eine sehr glückliche Familie, erzählte meine Grossmutter. Doch die Kriege beendeten auch diese Idylle und letztlich wurden sie stationär in Prag. Dies auch, um die Kinder in die höheren Schulen zu schicken. Meine Grossmutter fand nach der Schule eine Anstellung im Hause" Kovarik" in der Altstadt von Prag. Sie verliebte sich in den Sohn der Herrschaften - oder er sich in sie? Auf jedenfalls war das gar nicht gern gesehen von den Herrschaften und bevor die Kündigung kam, wurde meine Grossmutter schwanger. Ein Skandal in diesen Gezeiten und den sicheren Rauswurf aus dem guten Haus. Doch mein Grossvater hatte Klasse und verliess die elterlichen Herrschaften ebenfalls! Er, Havel, heiratete meine Grossmutter, Martha-Boschena und sie zogen nach Wien und eröffneten dort eine Schneiderei und wurden das erste Mal Eltern.
All das und noch viel mehr erzählten sie mir bei meinen Besuchen in der Schneiderstube in Zürich. Ich liebte diese Erzählungen und bewunderte dieses Paar sehr. Ich hätte nie einen freien Nachmittag bei meinen Grosseltern ausgelassen. Es gehörte einfach zu meinem Kinderleben und war so erfüllend und wichtig für mich. Oft kam dann am Abend auch mein Vater mit seinem Motorrad und holte mich ab. Er ging dann immer gleich in der Küche vorbei und Grossmutter verwöhnte ihn mit Gebäck, Knödel zum nach Hause bringen und einem heisser Kaffee. Sie hatten sich sehr gern und meine Grosseltern hatten grossen Respekt vor meinem Vater, der sich immer Zeit für ihre Sorgen nahm. Da sassen sie dann am Küchentisch und tauschten sich aus. Und dann sagte mein Vater z.B. Martha, die Küche muss frisch gestrichen werden - wir machen das nächste Woche. Gut Arthur, das freut mich sehr, das du das übernimmst! Und Grossvater steuerte ein neue Sonntagshose bei.
Am Sonntag Morgen wurde dann mein Grossvater aktiv und nahm seine vier Enkel in den Siehlhölzli-Park. Da war immer Konzert bei gutem Wetter in der gedeckten runden Halle und wir Kinder konnten spielen und rennen. Zum Mittagessen sollten wir dann pünktlich bei Grossmama und ihren beiden Töchtern sein, die gross gekocht und aufgetischt hatten. Da war nicht nur aufgetischt für die engen Familienmitglieder, nein, da kamen auch die geflüchteten Freunde aus Prag und die Unverheirateten. Meine Grossmutter fand, die müssen auch ein Zuhause haben, sonst werden sie traurig. Also war der Tisch sehr, sehr lange vom Erker bis zum Eingang - es wurden einfach alle vorhandenen Tische zusammengeschoben, bis es reichte. Spätestens jetzt war mir klar, warum Grossmutter Berge von Teller und Schüsseln im grossen Küchenschrank hatte.
Ich liebte diese Sonntage mit all den vielen Leuten über alles. Einer der Gäste hatte ja immer Zeit, etwas vorzulesen, Hausaufgaben zu kontrollieren, zu erklären oder im Hinterhof mit mir Seilspringen zu üben.
An diesen Sonntagen wurde auch immer die Woche besprochen und es wurde z.B. auch ausgemacht, wann genau welche Enkel in die Oper mitgehen durfte. Meine Grosseltern hatten im Stadt-Theater eine Loge gemietet, sie waren ganz intensive Opern- und Konzert-Gänger. Da durfte dann, bei den geeigneten Stücken, immer ein bis zwei Enkel mit, besonders die Mädchen, (die Buben machten zu viel Quatsch). Da schaute mein Grossvater dann ganz genau, ob die Kleider/Kostüme, die sie für’s Theater geschneidert hatten, auch richtig sassen, während meine Grossmutter den Smalltalk in den Gängen machte. Ich glaube, es war einfach etwas, was sie aus Prag mitgebracht hatten und unbedingt pflegen wollten. Dieses, sich schön machen, die Hüte aufsetzen, das feine Parfüm nutzen und die glänzenden Schuhe tragen, das war einfach auf schöne Art aufregend. Die Kleidchen, die meine Grossmutter mir genäht hatte wurden gerichtet, wisse Strümpfe aufgezogen, die Lackschuhe angezogen - das war alles so unglaublich zeremoniell und wichtig für sie. Meine Grossmutter machte mir dann immer diese wunderschönen Rundzöpfe und nannte mich, ihre kleine Prinzessin. Und, es wurde zu Fuss und in absoluter Ruhe in die Oper gegangen, um sich einzustimmen. Ein Ritual, welches ich sehr liebte und Rituale hatte diese Familie nun wirklich sehr viele. Ich kannte keine anderen Kinder, die das Glück hatten, so verschieden und so spannend aufzuwachsen.
Grosseltern sind so wichtig, weil sie die Welt des Kindes vergrössern und weil sie Lücken schliessen. Weil sie Dinge tun, für die die Eltern keine Zeit oder Ruhe haben. Grosseltern können sich die Zeit einfacher nehmen. Grosseltern sehen Dinge aus einer anderen Perspektive, so wie die Eltern die Sache einfach nicht sehen können. Die Enkel erzählen den Grosseltern Dinge, die vielleicht zuhause im Alltag kein Platz haben. Grosseltern bringen Geschichten aus einer ganz anderen Weltzeit und das ist für die Enkel sehr wichtig, lehrreich und bereichernd. Grosseltern helfen den Kindern die so komplexe Welt etwas besser zu verstehen und den Enkelkindern Mut zu machen.
Grosseltern, die diese Aufgabe verpassen oder keine Lust darauf haben, sind zu bedauern, weil sie einen natürlichen Fluss des Lebens verpassen und irgendwie eine Aufgabe verweigern. Ja ich weiss, es ist nicht immer so einfach wie ich es erlebte in meiner Kindheit, aber es ist ganz einfach nötig und sinnvoll für die eigene Entwicklung und die der Enkel. Und entwickeln sollten wir uns bis zum Schluss, das macht doch Sinn!
Oft wohnen heute Enkel weit weg von den Grosseltern und das macht den Prozess etwas beschwerlicher. Doch wir haben das grosse Glück Internet nutzen zu können und Bilder und Nachrichten zu verschicken. Das hatten wir früher nicht.
Es müssen ja auch nicht immer die eigenen Enkel sein. Ich hab z.B. Hütekinder, die auch sehr gerne am freien Nachmittag vorbei kommen oder übernachten, wenn die Eltern mal weg sind. Sie geniessen diese Zeit auf dem kleinen Bauernhof mit den Hühnern und all den Möglichkeiten, die sie zuhause nicht haben.
Es gibt auch Organisationen, die Grosseltern vermitteln. Melden sie sich doch da und erleben sie etwas ganz Neues und Sinnvolles, etwas was eine Aufgabe ist und eine Bereicherung.
Meine Kindheit/Prägung und mein ganzes Leben wäre sehr viel ärmer geworden ohne diese beiden feinen Leute - meine Grosseltern, Martha und Havel.
Norah für Sie und das Grosseltern sein.
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