


zu mir
Norah's HighAgeTalk ist ein Blog, der sich dem positiven Umgang mit dem Alter widmet. Ich glaube daran, dass das Leben in jedem Alter lebenswert ist und möchte mit diesen Inhalten dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und den Blick auf das Alter etwas zu verändern und zu verbessern. Ich versuche aus eigenen Erfahrungen zu berichten, aus Erlebtem und Erprobtem und ich versuche, kein "Klugscheissen" zu betreiben.
Ich bin Norah, werde gerade 80, stehe total im Leben, bin engagiert und oft sehr glücklich. Ich kenne auch Wut, Ärger, Traurigkeit, Verzweiflung und Schmerz sehr genau, doch habe ich gelernt, diesen Gefühlen nicht die Oberhand zu geben.
Ich lebe auf einer kleinen, alten "Ferme", am Waldrand. Das Lindenhaus nennen sie es hier, im französischen Jura. Die kleine Ferme, einst eher eine Hütte mit viel Land für bewegungsaktive Kinder, Musik, Pferde und mich, in den Schulferien. Ich habe nun die kleine Ferme, nach vielen Jahren der Verlassenheit mit viel Engagement und Schweiss renoviert und aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Eine Herausforderung sondergleichen, bei der man unglaublich viel lernt.
Hier habe ich mir also mein Nest gebaut!
Mein Leben war von Anfang an sehr bewegt. Ich bin das Liebesresultat einer schönen Tschechischen Mutter und eines wilden Schweizer Vaters, ein Nachkriegsglück, wie sie mir sagten. Da meine Mutter verliebt in die Schweizergeschichte, "Heidi und Peter" war, bekam ich also letztlich den Namen" Heidi" anstatt den vorgesehenen Namen "Norah-Boschena". Das hat mich irgendwie beleidigt, weil meine geliebte Grossmutter sich so sehr wünschte, dass das Tschechische im Namen weiterleben dürfte. Doch meine Mutter wollte mit aller Kraft, die tschechische Geschichte definitiv hinter sich lassen. So riefen sie mich nun also "Heidi" und ich musste das akzeptieren. Als ich dann später den Heidi-Film, von Johanna Spyri, anschauen konnte, da verstand ich den Wunsch meine Mutter etwas besser. Mein Bruder wurde übrigens Peter genannt - also, glückliche Schweizerkinder!
Irgendwie hatte mir das Schicksal einige schwierige Aufgaben auferlegt, die ich als Kind nicht eben fair fand. Polio, TB, Brüche und Vieles mehr. Ich war wirklich eine grosse Belastung für meine, nicht sehr belastbare Mutter. Ich war einfach andauernd und oft, schwer krank. Jedoch, und Gott sei Dank, war ich eine totale Herausforderung für meinen engagierten, liebenden Vater. Heute versteh ich den Nutzen all diesen Lernens und Kämpfens besser und bin versöhnt mit meiner etwas beschwerlichen oder anstrengenden Kindheit.
Ich habe einen Bruder, älter als ich, der so ganz anders ist, als ich, d er immer gesund war und unglaublich seriös, stabil und pflichtbewusst. Ich bewunderte ihn immer, als Kind und in seiner Eigenart hatte ich ihn richtig gern. Er beschützte mich auch oft und irgendwie brauchten wir einander in unserer Verschiedenheit und das war gut so. Er, in seiner leisen, zurückhaltenden, akzeptierenden und respektvollen Art, ich in meiner spontanen, sprudelnden, kämpferischen und leidenschaftlichen Art.
Meine Kindheit erlebte ich in Zürich/Triemli in einer der vielen Bau-Genossenschaften, die nach dem Krieg überall gebaut wurden. Ein kleines Haus, der Rossacker 71, mit Garten und einer immer offenen Tür, das war unser Zuhause und eine Zentrale für all die Menschen mit denen wir das Leben teilten - und das waren Viele. Vor allem meine tschechischen und geflüchteten Familienmitglieder kamen gerne zu Besuch, aber auch die Brüder und Schwestern meines Vaters, sechs an der Zahl, waren gern gesehen. Hier lernte ich so viele wichtige Elemente des Lebens kennen, verschiedene Kulturen, meine behinderte Freundin nebenan, Gregor der Bildhauer, ein Stück weiter vorne an der Strasse, am Waldrand, der jüdische Friedhof, der mich irgendwie faszinierte mit den seltsamen Inschriften und den aufgetürmten Steinen. Dann die riesige Kiesgrube, Richtung Friesenberg, ein verbotenes Eldorado für die Kinder. Wir waren auch sehr oft mit den Brieftauben-Freunden meines Vaters und mit deren Familien zusammen und unterwegs. Sie kannten und vereinten sich aus den Kriegszeiten. Eine sehr starke Gemeinschaft, die unser Leben reich und auf's Beste beeinflusste. Hier lernte ich, dass man füreinander da ist. Und eines der Kinder dieser Brieftäubler wurde später der Pate meines ersten Kindes. Mein Vater war ein sehr leidenschaftlicher "Brieftäubler" und Bergsteiger, der im Krieg in den Bergen die Tauben mit Informationen an den Beinchen, zurück in ihre Station fliegen liess. (Ich habe noch immer von den kleinen, leichten Hülsen mit den eng aufgerollten Miniatur-Liebesbriefchen an meine Mutter). Mein Vater war mit den grossen Hunden, die die Taubengitter trugen, wochenlang im Gotthard-Gebirge, um die Grenze zu Italien zu beobachten und von dort aus zu berichten - es war ja Krieg! Diesen Job erhielt er von seinem Vorgesetzten, weil er kein Gewehr tragen wollte und ein sehr guter Bergsteiger war. Ich lauschte sehr gerne seinen Geschichten über diese harte Zeit und ich war mächtig stolz auf meinen Vater. Ich ging, wann immer es möglich war, zu meinem Vater in der Werkstatt und er zeigte mir geduldig, wie man Vogelhäuschen zimmert und Schildkröten-Behausungen macht. Oder ich lauschte seinen Klängen, wenn er mit seiner silbernen Handorgel die schönen Tessiner-Lieder spielte. Dazu sass ich ihm zu Füssen, auf dem von ihm selbst geschreinerten kleinen Holzhocker, (nebenan). Den habe ich noch heute. Er trägt so viele wichtige Erinnerungen.
Eine Horde wilder Genossenschafts-Kinder, das war mein Segen. Hütten bauen, Versteck spielen, Schnitzeljagd machen, Schneehütten auftürmen, "Völk" das beliebte Ballspiel am Abend, das waren meine kindlichen Leidenschaften, ich wollte einfach immer wieder dazugehören. Mein Vater lehrte den Kindern geduldig, dass auch ein körperliches, schwaches Mädchen seinen Platz in der Gruppe braucht, um stark zu werden. Das verstanden die Kinder irgendwie und schleppten mich überall hin mit, mal auf dem Rücken der starken Buben, mal in einem alten Kinderwagen, ich war dabei und glücklich. Manchmal nahm mein Vater die Kinder reihum mit seinem Töff im Seitenwagen zu einer kleinen Runde. Das kam gut an bei den Kindern und war deshalb auch sehr nützlich für mich. Im Sommer, am Samstag Abend, machte mein Vater Kino für die Kinder, im Freien, hinterm Haus. Ein weisses Linnen zwischen zwei Teppichstangen reichte aus als Leinwand, um Dick und Doof, Bambi und all die Disnay-Filme aus dem Filmverleih, mit dem 8 Millimeter- Projektor, zu schauen. Wir Kinder sassen aufgeregt, mit einem Kissen unterm Hinter, im Gras, staunten und lachten und waren glücklich. Dafür durften wir alle sehr lange aufbleiben. Das verstanden alle Eltern sehr gut.
Die Schule war für mich ein Mysterium. Durch die vielen gesundheitlichen Abwesenheiten, verpasste ich Einiges in der Schile. Doch weil ich ein "beliebtes oder sagen wir, anständiges" Kind war , nahm man mich von Klasse zu Klasse einfach mit. Eine Legasthenie machte das Ganze zu einem schulischen Seiltanz. Im Zeugnis stand oft; "träumt viel und schaut aus dem Fenster".
Meine Ausbildung machte ich in einer Aerztebedarf-Apotheke in Zürich. Man traute mir leider keinen handwerklichen Beruf zu. Ich war da noch dünn und zerbrechlich, wog gerade mal 42 Kgr. bei 176 Grösse - nichts für meine Traumberufe. Doch mein Lehrmeister machte diese Lehre für mich zu einem Highlight! Dies, mit seiner Güte, seiner Weitsicht, seiner Wertschätzung, seinem Engagement für Jugendliche und seinem Mut, andere Wege des Lehrens und Lernens zu gehen. So schloss ich nach 3 Jahren meine Lehre top ab! Mein Lehrmeister und ich waren so glücklich und stolz! Jetzt fühlte ich mich bereit für's Leben. Ich denke noch viel an den alten, feinen grossen Herrn, wenn ich ein Problem zu lösen habe. Dann tu ich es nach seiner Art.
Als "Aupair" wollte ich Sprachen lernen, die Welt bereisen und Kulturen verstehen lernen. Das war nun mein erstes und wichtigstes Bedürfnis. In England, Frankreich, Italien, der USA und schliesslich in Spanien, arbeitete ich und das waren alles sehr prägende, gute Erlebnisse für mich. Nach dem schmerzlichen Verlust meines ersten Lebens-Partners, brauchte ich eine lange Pause. In der Toscana, in einer abgelegenen, alten, unbenutzten, wunderschönen Abtei fand ich den richtigen Platz für mich und meine Auszeit. Ich brauchte sehr viel Zeit um die Welt und das Leben besser zu verstehen, aber auch Zeit, mit den Herausforderungen der Geschichte und der Gesellschaft umzugehen. Es waren die 68er Jahre, der Vietnam-Krieg, Cambodia, die Atomkraftwerke, Demos überall, ausgeflippte Partys, die Hippys und mein Fühlen, dass ich meinen Platz nicht mehr in dieser Gesellschaft und in einer Stadt finden würde. Ich entwickelte mich gut in der Toscana, wurde stark und gewann auch körperlich viel. Die Weite dieses Landes heilte viele alte Wunden bei mir und ich lernte das Leben auf dem Land mit Tieren, Garten, Gästen und einer wunderbaren Dorfgemeinschaft.
In der Toscana, wo ich einige Jahre ein Retraite-Haus betreute, lernte ich den Vater meiner Kinder kennen und lieben, ein Schweizer-Gast! Ich wurde dann irgendwann, in dieser Wochenend-Beziehing schwanger. Das hatte mir kein Arzt zugetraut und so siedelte ich schweren Herzens in die Schweiz zurück. Unser Kind sollte nicht ohne seinen Vater aufwachsen, das war für mich einleuchtend und wichtig. Doch das Verlassen meiner geliebte Wahlheimat, die Berge der Toscana, die Düfte, das Licht und die Farben, mein schönes Haus auf dem Hügel, meine so lieb gewonnenen Freunde, das alles zu verlassen, das war sehr schwer und ein wirklicher Kraftakt für mich.
Ich kam rechtzeitig zur Geburt unserer ersten Tochter in Zürich an, mit meinem VW-Bus und einem grossen Berner-Sennenhund. Ich wurde empfangen in der kleinen Studentenwohnung meines Partners und seinem Freund, an einer Hauptstrasse in Zürich! Der Wechsel war zu heftig für uns alle. Der Hund wurde krank, Stadt kannte er nicht. Ich fühlte mich alleine und irgendwie verlassen. Nachdem ich einige Male die Koffern packte, weil es einfach nicht möglich war für mich, mit Hund und einem Säugling, so zu leben, fand ich im letzten Moment einen kleinen Bauernhof am Rhein, nahe Zürich. Ein kleines abgelegenes Paradis war das und irgendwie gelang mir damit auch, die Wieder-Akklimatisierung an die Schweiz. Ich wurde Mutter dreier Kinder, eines davon aus Indien adoptiert. Adoptieren, das wollte ich immer schon, seit ich Kind war! Es folgten 10 Jahre Voll-Engagement für die Kinder und den kleinen Hof mit vielen Tieren und Selbstversorgung. Ich war eine sehr glückliche Mutter - die Zeit mit den Kindern war ein Geschenk für mich. Nach zehn Jahren kam, eine für uns alle, traumatische Scheidung und damit den Wegzug aus dem Paradis. Ich war jetzt plötzlich alleinerziehend und mir wurde auf einen Schlag bewusst, dass ich ab jetzt die volle Verantwortung für vier Menschen trage - der Vater meiner Kinder zog ans andere Ende der Schweiz in sein neues Leben. Ich musste mir nun die Grundlagen für ein erfüllendes Berufsleben aufbauen, mich nebenberuflich am Abend und am WE ausbilden und ich wollte endlich studieren und mehr verstehen lernen. Wirklich nicht einfach, als alleinerziehende Mutter! Ich wusste schon lange, dass ich einmal mit Menschen arbeiten will und ich wusste auch, und immer schon, dass meine Kinder eine zufriedene Mutter brauchten.
Die Kinder und ich lebten nun in der Altstadt eines kleinen Städtchen am Rhein, nahe Schaffhausen, welches für die Kinder überschaubar, sehr geborgen und mit vielen Möglichkeiten verbunden war. Hier konnten sie sich entwickeln und ich fand vor Ort, ganz tolle Pflege-Eltern für jedes Kind, welche in meinen Ausbildungs-Blöcken im Ausland, einsprangen und die Kinder in ihren Familien aufnahmen. Meine drei Töchter entwickelten sich zu starken, eigenständigen und liebesfähigen Frauen und ich bin sehr stolz auf sie!
Ich schloss meine Ausbildungen mit Bravur ab und eröffnete eine Beratungs- und Ausbildungs - Praxis in Schaffhausen. Nach einem sehr reichen und erfüllten Berufsleben als Organisations-Entwicklerin im Gesundheitswesen, als Supervisorin, Seminarleiterin und Entspannungs-Therapeutin, bin ich nach verschiedenen Stationen, hier im französischen Jura gelandet.
Heute ist es nun mein Wunsch, älteren Menschen Mut zu machen sich weiter zu entwickeln, ihre Fähigkeiten einzusetzen, sich zu engagieren, Träume endlich umzusetzen, Werte zu leben und den gemütlichen Sessel gegen gelebte Lebendigkeit einzutauschen. Zudem glaube ich, wir haben auch im Alter gesellschaftliche Pflichten!
Über die Wichtigkeit des Grossmutter seins, erzähle ich später.
Lassen sie sich inspirieren von Einsichten, Aussichten, Umbrüchen, Vernetzungen, Ideen und Unterstützungen.
Ich freu mich auf unser Tun und Lassen. Ihre Norah
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